Montag, 14. Februar 2011

Knaller in Antigua und Bach in La Habana

Am Freitagvormittag sitzen wir mit unseren Sprachlehrern in der größten erhaltenen Kirche Antiguas, La Merced, und verfolgen von der letzten Bank aus den Eucharistie-Teil der Messe. Während der Priester die Einsetzungsworte spricht, hören wir hinter uns einen lauten Knall. Wir drehen uns um und sehen Rauch auf dem Platz vor der Kirche und einen älteren Mann, der einen Satz nach vorn macht – offenbar konnte er vor der Explosion gerade noch flüchten. Doch was müssen wir sehen? Derselbe ältere Mann nimmt sein Feuerzeug und hält es an ein rotes Päckchen, das auf dem Platz liegt und ein weiterer vielfacher Knall folgt, während er wieder einen Satz nach vorn macht. Ein pensionierter Kirchenstörer in Guatemala? Ein seniler Randalierer vor einer der bekanntesten Kirchen in Antigua? Wir staunen. Doch als keiner der Gottesdienstbesucher sich umdreht, während es draußen knallt, wird uns ungemütlich. Selbst der Priester fährt mit den Einsetzungsworten fort, als würde er nichts hören.

Sind wir die einzigen, die diese Knallerei während der Messe als Störung empfinden? Offenbar ja. Denn unsere Sprachlehrer erklären uns, dass in Guatemala bei allen besonderen Heiligentagen vor Gotteshäusern geknallt wird – offenbar ausdrücklich in kirchlichem Auftrag. Ob auch Gott sich darüber freut?

Themawechsel:
Als sich Johann Sebastian Bach am 1. April 1730 aus einem bis heute ungeklärten Grunde in Havanna aufhielt, ärgerte er sich zwar über die „erbarmungswuerdig(e)“ Stimmung der Orgel der Kathedrale, war aber noch am selben Abend „hoechst erfreuet“ über zwei „froehliche Trommelspieler“ auf der Plaza, deren „beyder Töne einen guten generalbaß zu dem Gesange yhrer Stimmen abgaben“, wie er in seinem Reisetagebuch notierte. Von dem, was Bach während seines Kuba-Aufenthaltes komponiert hat, ist offenbar nur ein Exemplar in Havanna erhalten geblieben, welches erst Ende des letzten Jahrhunderts gefunden und bis jetzt vom kubanischen Kulturministerium geheim gehalten wurde, was wohl der wahre Grund für die zur Zeit schlechten Beziehungen zwischen Kuba und Deutschland sein mag.

Am Sonnabend erlebten wir allerdings in Antigua eine kubanische Band mit dem Namen „Tiempo libre“, die sich 280 Jahre nach Bachs Kuba-Besuch des barocken Erbes annahm und ein Programm mit dem Namen „Bach en la Habana“ spielte. Zu unserem Erstaunen mussten wir feststellen, dass bei ihrer Musik wenig von Bach zu hören war und die wenigen barocken Motive, die herauszuhören waren, den einschlägigen, bekanntesten Bachwerken entstammten: die sog. „Air“, ein Stück aus dem Notenbüchlein für Anna-Magdalena und irgendein Leitmotiv aus einem bekannten Konzert. Hat Bach in Havanna etwa doch nichts komponiert oder, was man ja von ihm kennt, lediglich einige seiner besten Kompositionen noch einmal neu verbraten? Oder war er am Ende gar nicht auf Kuba gewesen?