Dienstag, 14. Juni 2011

Mexikahlo

Ungefähr alle 10 Jahre taucht die Malerin Frida Kahlo unerwartet in unserem Leben auf und wirft Wellen. Kurz nach der Wende, Hand-in-Hand mit Tina Modotti, der revolutionären Fotografin, die ihre Kamera in die Moskwa geworfen hatte. Und dann 2002, als Selma Hayak verkleidet, sprechend, lebendig und leidend im Kino. Schließlich, im letzten Monat, auf der Pfarrkonferenz der lateinamerikanischen deutschsprachigen Gemeinden. Die fand in Mexiko-City statt und ging 9 Tage von Sonntag bis Montag. Der Besuch des Frida-Kahlo-Museums war am 7. Tag. Die Konferenz war toll und hätte andere Namen verdient, wäre da nicht dieser 7. Tag gewesen.

Der treffendste Name wäre „Volkswagen-Konferenz“ gewesen, denn VW sponserte nicht nur drei schwindelerregende Abendessen für die 40 Teilnehmer, sie zeigten uns auch ihr Werk in Puebla, das jeden Tag mehr als 2400 Autos produziert (VW Jetta). Die Hässlichkeit dieses Autos steht in einem merkwürdigen Kontrast zu der Lieblichkeit der Restaurants, die man mit ihrem Umsatz bezahlen kann.
Man hätte sie auch „Führungs-Konferenz“ nennen können, denn das offizielle Thema war „Führen und Leiten in der Gemeinde“ und wurde mithilfe eines Beraters aus Deutschland besprochen.

Aber nein, was am Ende blieb und uns am deutlichsten mit nach Guate begleitete war Frida Kahlo. Besser gesagt waren Frida Kahlo und ihr Mann Diego Rivera. Dessen riesige Wandgemälde im Präsidentenpalast konnten wir schon am 4. Tag bewundern. (Da fällt mir ein, dass wir dank des tollen Programms die Konferenz auch „Studiosus-Konferenz“ hätten nennen können.) Aber zurück zu Frida und zum 7. Tag: „Besuch des Frida-Kahlo-Museums“ stand im Programm. Ich stellte mir einen sympathisch-betonlastigen Kunsthallen-Klotz aus den 80er Jahren im Stadtzentrum vor. Stattdessen fuhr uns ein Linienbus in ein verträumtes kleines Stadtviertel mit vielen eingeschossigen Wohnhäusern. Eines davon war blau und leuchtete von weitem. Es war tatsächlich das Wohnhaus von Frida und Diego.

Nicht viele von uns hatten das Angebot wahrgenommen und auch sonst war alles ruhig im schattigen Innenhof an diesem Morgen und es fiel nicht schwer, sich vorzustellen, die Hausherren würden jeden Moment aus einem Fenster schauen oder ein Glas aus einem der gelben Regale nehmen und sich gegenseitig an den Kopf werfen.
Aber ach, sie sind seit über 50 Jahren tot und ihre Bilder hängen hier auch nicht – jedenfalls nicht die bedeutendsten. Die reisen in der Welt herum und sorgen für Jahrhundertschlangen, wie etwa vorm Martin-Gropius-Bau.

Trotzdem waren sie da – in der gigantischen Küche, die so manchen marxistischen Theoretiker mitbekochen musste, in den ausgefallenen Korbsesseln, die sie wahrscheinlich nach ausgedehntem Streit ausgesucht hatten. Oder waren das einfach nur die einzigen Stühle, in den Frida bequem sitzen konnte? Und in dem Blau, das so blau war, wie unser Haus in Almería. (Und das Haus von Pablo Neruda in Santiago.)

Der kleine Museumsshop in der alten Bodega versorgte uns mit Bleistiften, Klappspiegeln und hochwertigen Drucken. Die „Frida-Kahlo-Konferenz“ geht jetzt bei uns zuhause in Guatemala noch ein bisschen weiter. Mal sehen, was in 10 Jahren los ist.