Montag, 24. Oktober 2011

Die Ablesemarke glücklicher Planeten


Messgeräte sind überall, wo man hinschaut. Man muss gar nicht auf die Straße gehen und das von der Konrad-Adenauer-Stiftung suchen. Sogar der Tropenspiegel hat eines und damit soeben den 3000. Seitenbesucher gemessen. Herzlich Willkommen!
Neulich haben wir geschrieben, dass Guatemala das Schlusslicht der Lateinamerikanischen Demokratieliga ist, das hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung gemessen (12.10.). Am Tag darauf kam die frische ZEIT aus Deutschland angeflattert - sie braucht ungefähr 10 Tage über den großen Teich - und setzte unserer neuen Messgeräteaufmerksamkeit neue Maßstäbe. Wie kann man den WOHLSTAND von Ländern messen, war die Frage. 1. Vorschlag: nach dem Bruttosozialprodukt , 2. Vorschlag: nach der Verteilung von Reichtum (Gini-Koeffizient), 3. nach Bildung und Lebenserwartung (HDI), 4. nach dem ökologischen Fußabdruck und 5. nach dem HPI, dem Happy-Planet-Index, der Lebenserwartung und Lebenszufriedenheit ins Verhältnis zum ökologischen Fußabdruck setzt.
Wohlfühlcafé in Guatemala-Stadt
Der fünfte Vorschlag gefiel uns von Anfang an. Das Messgerät steht im Südosten Londons, in der Jonathan Street, bei der Londoner New Economics Foundation.  Bei dieser Messung schneidet ein Land besonders gut ab, "in dem die Menschen viele glückliche Lebensjahre mit möglichst geringem Umweltschaden verbringen". (ZEIT)

Unglaublich aber wahr, Guatemala ist auf Platz vier. VIER. Aber nicht der Lateinamerika-Liga, sondern der Welt-Liga. Auf den ersten 10 Platzen befinden sich 9 mittelamerikanische und karibische Staaten, angeführt von Costa Rica. Sogar Kuba! Auf Platz 7! Deutschland auf Platz 51, USA 114. Ganz unten die afrikanischen Staaten. Es ist anzunehmen, dass diese Messung Schwächen hat, auch wenn sie sehr vernünftig klingt.

Woran merkt man, dass der Planet glücklich ist in Guatemala - außer an Zeitampeln und Wohlfühlparkhäusern (8.9.)? Wo's doch mit der Demokratie so schlecht aussieht? Ein Versuch der Erklärung:
1. Alle Menschen sind immer nett. Diskussionen und Streit werden notfalls gewaltsam unterbrochen.
2. Der kubanische Rum kostet 5 €/Flasche
3. Der chilenische Wein kostet 2,70 €/Flasche (z.B. Gato Negro Carmenère)
4. Es gibt riesige Stoffläden mit professioneller Bedienung (Filz  1 €/Meter)
5. Frauenhilfsnähereien nähen einem, was man will.
6. Die Landschaft ist überwältigend.
7. Alle, die wir kennen, sind wahnsinnig hilfsbereit.
8.  Überall wird einem die Tür aufgehalten.
9. Die Brubeck Brothers spielen hier.
10. Alle Frauen tragen Stöckelschuhe. Man sollte nicht glauben, wie gut das aussehen kann.
11. Die Leute sprechen das beste Spanisch der Welt.
12. Jeder hat deutsche Vorfahren.

Lassen wir das mal so stehen. Die nächste Messung kommt bestimmt. Und dann sieht wieder alles anders aus.

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Ungerade Taktarten


[en que se trata de lo que la "Fundación Konrad Adenauer" considera "democratico", un concierto de los hermanos Brubeck  y los logros de Laurenz en esta estación lluviosa.]
1990 in Kuba
Wenn man aus unserem Haus tritt, nur wenige Meter weiter rechts, steht ein riesiges Messgerät. Es misst bei Tag und bei Nacht und doch kann man es nicht sehen. Denn es misst keinen Regen (da hätte es viel zu tun), keine Temperaturunterschiede (da hätte es wenig zu tun), und auch keine Geschwindigkeitsüberschreitungen (überall sind Túmulos - Verkehrshügel). Nein, das Messgerät steht im Haus der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Und es misst die Demokratie. Jedes Jahr wird ein Bericht veröffentlicht, in dem geschrieben steht, wie es mit der Entwicklung der Demokratie in Lateinamerika aussieht. 
Für Guatemala haben sie jetzt "Platz 18" gemessen, mit 1.9 Punkten. Das ist der letzte Platz, wie in der Bundesliga.  Kann man als Land  in eine andere Liga "absteigen"? Den ersten Platz hat Chile, mit 10 Punkten. Alles paletti in Bezug auf "Respekt der politischen Rechte und Freiheiten", "Qualität der Institutionen und politische Effektivität" und "effektive Regierungsmacht". Vor 18 Jahren haben wir noch in Chile gelebt - heißt das, das wir uns in jedem Jahr um ein Land verschlechtern? Bodensatz auch die Länder der "Achse des Sozialismus".  Bolivien steht noch am besten da (3,3), Venezuela ist mit 2,46 Punkten noch einen Hauch vor Guatemala, also ebenfalls ein Abstiegskandidat. Wie Ecuador, El Salvador und die Dominikanische Republik. Und wo ist - Kuba? "Unvergleichlich", sagt die Konrad-Adenauer-Stiftung. "Vor 50 Jahren abgestiegen in das Reich der Unvergleichbarkeit und nie wieder auferstanden." Ferner fehlt in der Auflistung "Haiti", weil die Signale von dort zu chaotisch sind, um sie zu messen.
So alt wie die kubanische Revolution
Hätte die KAS "Preiswerte kulturelle Angebote" als Richtlinie, würde sich Guatemala vielleicht nicht so weit unten befinden. Nach einigen Theater- (5 €) und Jazzabenden (4 €), waren wir in der letzten Woche bei einem Konzert der Brubeck Brothers, der Söhne von Dave Brubeck im Auditorium der Francisco Marroquin-Universität (18 €). Ein schönes Konzert, dass etwas zu sehr vor sich hingeplätschert wäre, hätte es da nicht die Vorliebe von Dave Brubeck für ungerade Taktarten gegeben. Im zweiten Teil spielten sie Blue Rondo A La Turk (9/8) und ganz zum Schluss - endlich - Take Five, im 5/4-Takt. Sohn Dan ist Schlagzeuger geworden, und so konnten wir zum ersten Mal live das Stück so hören, wie es ursprünglich gedacht war, mit dem Schlagzeug als prominentem Instrument.   "Take Five" war 1959 geschrieben und 1960 aufgenommen worden und wurde eines der populärsten Jazz-Stücke überhaupt. Es hätte die Begleitmusik zur kubanischen Revolution sein können.

Weinverkostung am 3. Oktober.
Währenddessen regnet es draussen weiter. Es regnete auch bei unserer Feier zum 3. Oktober. (21 Jahre!)
Es wird noch eine Woche regnen, danach ein halbes Jahr nicht mehr. Ein komischer Takt auch das. Nichtsdestotrotz war es eine großartige Regenzeit für Laurenz, denn er hat Fahrradfahren und Schwimmen gelernt, obwohl er erst viereinhalb ist.
Dreimal am Tag fragt er außerdem "Mama, wie geht's Dir?", weil man das hier halt so fragt. Ophelia und Mathilda steigen unbemerkt in die spanischsprachige Welt ein. Neulich hatte Ophelia "Deutsch-Hausaufgaben" auf und ich sah, wie sie schrieb: "El arbol tiene cerezas rojas" (Der Baum hat rote Kirschen.) Ophelia? "Ach nee, ich meinte, 'Spanisch-Hausaufgaben'".